Glosse

„Not macht erfinderisch“,

von Werner Augustin

kommentierten (sichtlich um Ernst bemühte) Vertreter des Instituts der Wirtschaftsprüfer
den im Vorjahr gewagten Vorstoß eines Bundeslandes (welches aus Pietät nicht genannt wird), die kommunale Doppik um eine sogenannte Bilanzierungshilfe zu bereichern. In diese Bilanzierungshilfe sollte viel Trauriges reingepackt werden können. Also nicht nur geleistete Zuwendungen (will sagen, „mit Nutzenstiftung“), sondern auch „Mindererträge“, wie etwa entgangene Steuereinnahmen. Der „Posten“, so phantasierten die Bilanzfriseure euphorisch, sollte über einen Zeitraum von 50 Jahren abgeschrieben werden.

Der Verfasser blickte drein wie das berühmte Eichhörnchen bei Gewitter. Denken Sie jetzt auch spontan an den windschief stehenden Eichenschrank, dessen Statik man mit einem doppelt gefalteten Bierdeckel unter dem zu kurzen Fuß zu retten gedenkt? Die geistigen Mütter und Väter gaben ihrem schiefen Haushaltsschrank den musischen Namen „Aufwendungen für die Erhaltung der kommunalen Leistungsfähigkeit“. Darin sind fehlende Steuereinnahmen doch bestens aufgehoben! Trittbrettfahrer traten auf den Plan und hätten den mystischen Bilanzjoker gar zu gern noch gleich im Handelsgesetzbuch versenkt.

Nun buchen wir mal! Nehmen wir an, die entgangenen Steuereinnahmen sind nicht ohne, werden auf die nächsten zehn Jahre hochgerechnet, mit der Kreiszahl Pi (entfällt bei kreisfreien Städten) malgenommen und mit dem risikofreien Basiszins abgezinst. Also gar nicht. Macht ein paar Millionen. Dann addieren wir noch die „Zuwendungen mit Nutzenstiftung“ (für die wir ein Kommunaldarlehen aufnehmen mussten) hinzu, am besten auch gleich hochgerechnet auf die nächsten zehn Jahre, sagen wir auch ein paar Millionen, macht zusammen ganz viele Millionen.

Der Buchungssatz lautet dann: Per „Aufwendungen für die Erhaltung der kommunalen Leistungsfähigkeit“ an, meinetwegen, „Montgolfiere-Rücklage“ (wegen der heißen Luft). Am Ende thront auf der Aktivseite ein Mords-Posten und rechts vom senkrechten Bilanzstrich residiert ziemlich weit oben ein zum Michelin-Männchen aufgepumptes Eigenkapital.

Es dürfte klar sein, dass pfiffige Finanzprodukt-Erfinder hier ein Geschäftsmodell wittern. Sie kaufen haufenweise Bilanzierungshilfen für 50 % des Nennwerts (sorry, -betrags) auf, packen sie in große Tüten, und verhökern am Ende alles zum gesamten Nennbetrag. Ein wenig hierhin, ein wenig dahin, bei geschicktem Portfoliogeklapper merkt doch keiner was. Und zu guter Letzt gibt’s über die Kaufpreise für die Bilanzierungshilfen eine fette Spendenquittung von der Stadt. Wirtschaft kann so spannend sein!