Glosse

Bild mit Wohnrecht?

von Werner Augustin

Gerne wird in jüngster Zeit das „hedonische Preismodell“ durchs Dorf getrieben. Gemeint ist hiermit, dass ein Objekt, ganz knapp gesprochen, nach seinen inneren und äußeren Werten beurteilt wird.

Stellen wir uns einen fiktiven Herrn Schulz als so ein Objekt vor. Herr Schulz sei mittelalt, mittelgroß, mittelklug und werde aufgrund seiner überbordenden Durchschnittlichkeit selbst von pixelwilden Überwachungskameras übersehen. Dank einer ausgeprägten Einkaufsphobie betritt er nur in gedehnten Zeitintervallen (alle zwei Jahre) ein Bekleidungshaus, um zumeist kurz hinter dem Eingang wieder abzudrehen und dabei „ich brauch doch nix“ zu murmeln. Bekannte werden, zu seiner Person befragt, unisono antworten „Der Schulz? Ja stimmt, den gibt’s. Jetzt wo Sie’s sagen“. Meist attestiert man ihm zugleich mit rührselig modulierter Stimmlage, eine Seele von Mensch zu sein, wenn auch sicher wohl eine sehr traurige, aber wenigstens frei von natürlichen Feinden.

Wie ließe sich Herrn Schulz hedonisch ein wenig auf die Sprünge helfen? Vielleicht sollte er sich als erstes in einen edlen Maßanzug hüllen. Oder genau ins Gegenteil. Denn auch Hässlichkeit kann als äußerer Wert durchgehen! Dann schicken wir ihn noch auf so ein Schlagfertigkeits- und Selbstbewusstseinsseminar, wo er sich langsam aber sicher zum Ekelpaket mausert. Innere Werte gewinnt. Anschließend kommt er ins Fernsehen und furcht, wie einst Dieter B., eine Schneise der Empörung durch’s zappend‘ Volk. Schulz war einmal! Es lebe Shoooltz, der flippige Unhold und bei jeder Sause gefeierte Held.

Ob der britische Künstler Bansky unserem Shoooltz ähnelt, lässt sich nicht sagen. Weil keiner weiß, wie er aussieht. Weltweit bekannt wurde der unbekannte Bansky durch seine über Nacht an Fassaden gesprühten, gesellschaftskritischen und provokativen Graffiti. Ein hedonisches Preismodell bei Immobilien ist was Irdisches, im wahren Wortsinn Bodenständiges. Makrolage, Mikrolage, all das kennen wir. Aber was macht man bei Graffiti an der Wand?
Da streiten sich doch höchstens die Gelehrten über den Ansatz der Schmierfink-Versicherung in der Betriebskostenabrechnung! Nicht so im englischen Bristol. Nachdem sich Bansky an einem mit etwa 300.000 Euro taxierten Haus ausgetobt hatte, trieb seine Wandmalerei den Kaufpreis in die mutmaßliche Siebenstelligkeit. Das Graffito prangt fortan wohlbehütet hinter einer Plexiglasscheibe. Hedonischer als in der (fiktiven) Ebay-Kleinanzeige geht es nicht mehr:
„Bansky-Bild mit Wohnrecht, 1,2 Millionen Euro“…