Glosse

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich

von Werner Augustin

Über den Ursprung dieses schönen, eine gewisse Ratlosigkeit beschreibenden Zitats lässt sich nur trefflich munkeln. So liest man, dass es bereits 1919 in Ernst Lubitschs Stummfilm „Die Austernprinzessin“ als Zwischentext diente und angeblich auf Wilhelm Busch zurückzuführen sei. Egal. Der Spruch erzeugt ein Spannungsfeld. Zwischen jemandem, der sich auskennt, und seinem geistigen Widerpart, also einer fachlich unverdorbenen Existenz. Über die man sich bitte nicht lustig mache, denn je mehr fachfremde Seelen ein Land bevölkern, desto mehr Expertinnen und Experten nehmen sich derer -gegen Bezahlung, versteht sich – an. Und nicht selten gestaltet sich die Zugehörigkeit zur Riege der Matten auch vorteilhaft, genießt man denn dort aus juristischer (also Experten-) Warte einen gewissen Mitleidsbonus und damit den Schutz vor der bösen Welt.

Eine böse Welt, welche der Laienschar auf Schritt und Tritt auflauert. Überall stehen, hängen und kleben irgendwelche Botschaften mit in düsteren Lettern gehaltenen Maßregeln, Anweisungen, Warnungen und Verboten. Ausgedruckt würde die deutsche Steuerliteratur in einen von einer bulligen Diesellok gezogenen Güterzug passen. Menge und Inhalt sind schlichten Naturen nicht zuträglich, so dass sich entsprechende Heilberufe rund um dieses Genre gebildet haben. Wie lesen sich Versicherungsbedingungen? Wie Buchstabensuppe im Zahlensalat! Aber wenigstens hat es die Versicherungswirtschaft geschafft, sich einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer zu basteln, also eine fiktive Existenz, die von der Lektüre einschlägigen Schriftguts nicht sofort dahingerafft wird.

Und das Mietrecht? Das kennt leider keinen durchschnittlich verständigen Mieter, was nach Studium der ganzen Prozesse und Urteile in diesem Sektor nur den Schluss zulässt, dass es diese Spezies Mensch schlichtweg nicht gibt. Vielmehr scheint ein jeder sein ganz privates BGB mit ganz privaten Paragraphen im Kopf herumzutragen. Wobei die Rechtsfolge immer klar ist: Ich darf – die anderen nicht. Im Übrigen sei alles unzumutbar. Ganz in diesem Sinne hat sich vor einigen Jahren ein Mieter seiner ihm zugegangenen Betriebskostenabrechnung verschlossen. Unter anderem mit dem Argument, er habe hin und her blättern müssen.

Kopfkino: entkräfteter Mensch, mit wundgescheuerten Fingerkuppen, fällt langsam, hierbei final aufstöhnend, vom Kanapee. Plumps. Chipstüte platt.

Ja, gut. Die Abrechnung, war, so sind sie eben, die Abrechnungen, mehrstufig aufgebaut. Also etwa nach Umlagearten, Kostenpositionen und Gesamtbeträgen. Was auch sonst. Das angerufene Landgericht schloss sich voller Mitleid unserem erschlafften Kläger an und erklärte das Rechnungswerk für nicht aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar. Erst der BGH urteilte am 19.7.2017 im Sinne der Vermieterin und erklärte die Abrechnung für formell ordnungsgemäß (§ 259 BGB), da sie eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalte. Zu hohe Anforderungen seien keine zu stellen. Der Mieter müsse die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen erkennen und die auf ihn entfallenden Anteile gedanklich und rechnerisch überprüfen. Von Blättern, Rascheln und anderen Grausamkeiten stand im Urteil nichts. Das Ende der Fahnenstange?

Eher nicht. Denn bestimmt kommt bald die BEKO-DUMMY-Äpp, in der poppige mp4-Strichmännchen und -mädchen einer mental entkräfteten Mieterschaft die Abrechnung vortanzen. Um die aufgeschreckten Hirnströme zu schonen, gibt’s coole Mucke und Werbung bis zum Abwinken. Darunter auch für die Selbsthilfegruppe „Vermieter sind alle böse e.V.“ Es darf geklagt werden!