Glosse

Nur Bares ist Wahres

von Werner Augustin

Nur Bares ist Wahres oder Die Tempelritter hinter der Steckdose

(inspiriert durch: AG München, Pressemitteilung vom 05.03.2021 zum Urteil 111 C 21915/19 vom 04.12.2020)

Was haben die französische Burg Gisors und eine Steckdose in einer Münchner Mietwohnung gemein? Sie haben recht: wenig. Hat man die Burg kreuz und quer nach dem angeblich im Jahr 1307 dort verbuddelten Templerschatz durchsucht …und nichts gefunden, und woanders auch nicht, hat man in der Münchner Mietwohnung erst gar nichts gesucht. Aber trotzdem einen Schatz gehoben. Und zwar bei der Reparatur einer Steckdose. Die frisch eingezogene Mieterin und der Elektriker stießen hierbei auf einen Hohlraum in dem 80.000 Euro in bar „hinterlegt“ waren. Also nicht der Heilige Gral, aber dennoch echt viel Asche. Gesetzestreu brachte man das Geld zur Polizei, die es ihrerseits ans Fundbüro weiterleitete.

Die frisch Eingezogene rieb sich frohgemut die Hände. Fetter Finderlohn stand ins Haus und, so der Traum, nach Ablauf eines halben Jahres der ganze Betrag! Klassischer Eigentumserwerb nach § 973 BGB…

„Das könnte dir so passen“, lautete die Antwort des Gerichts … nicht. Vielmehr argumentierte es, dass der verstorbene Vormieter seinen Schatz ganz sicher nicht verloren habe, also das Eigentum niemals aufgegeben. „Verlieren“ assoziiert die berühmte Brille auf dem Küchentisch (bzw. deren Abwesenheit), oder das (ehemalige) Smartphone beim Bäcker, aber ganz sicher nicht ein „aus Versehen“ deponiertes Bargeld-Kästchen hinter der Wandverkleidung. Mithin gelte ein anderer Paragraph, nämlich § 857 BGB. Welcher wiederum die Neumieterin im Regen stehen lässt und das Geld gleichsam in die Erbmasse des Verblichenen dirigiert.

Wagen wir zur Auflockerung die These, dass es damals, 1307, beim Heiligen Gral genau umgekehrt zuging. Was, wenn die Knappen beim Versuch, ihn und den ganzen Templerschatz in besagter Burg bestmöglich einzubuddeln oder zu mauern, von Schüben des Vergessens heimgesucht wurden? Stellen wir uns ferner vor, am nächsten Tag sei Tempelritter Kunibert persönlich herangeritten.  Lauschen wir einer nicht unbedingt fruchtbaren Konversation:

„Na, Männer. Wie geht’s denn unserem frisch verborgenen Schatz?“ Hierauf Closilius (sich am Haupte kratzend): „Äääh, Schatz? Was für’n Schatz?“

„Ja, was für’n Schatz, spinn ich, unserer! Un-se-rer! Der Schatz der Templer! Der mit dem Heiligen Gral!“

„Gral, was für’n Gral. Jungs, wisst ihr, was der Alte meint?“ „Nööö.“ „Tja, der ist dann wohl verloren gegangen. Is‘ weg. Nun guck nicht so. Taucht schon wieder auf, Kuni. Und jetzt nimmt sich jeder noch ´nen Apfel und dann reiten wir nach Cluny.“

Zurück in die Wohnungswirtschaft. 713 Jahren später. Herr Schmitz beim Bierholen.
„Mensch, Erna, guck mal, da Heilige Gral! Und lauter Tupper aus Jold! Dat lach, glaub’se nich‘, im Keller, hinterm Einweck-Regal! Und wenn sisch in nem halben Jahr keiner meldet, können wir dat Zeuch im Wohnzimmer stellen, wa. Dann simma jemachte Leute, Erna! Und bis dahin…“

Selbstredend würde das Gericht die Sache wieder mal ganz anders sehen. Von wegen Allgemeinheit, Öffentlichem Interesse und so.

Aber… es gibt ja Steckdosen. Je mehr es sind, umso besser!